Herwig Reiter über sein Konzert für Violoncello und Orchester

Herwig Reiter über sein Konzert für Violoncello und Orchester

Entstehung

Auftragswerk des Wiener Jeunesse Orchesters (Herbert Böck), geschrieben in den Sommermonaten 1999 und 2000 auf der griechischen Insel Samos. Anregungen durch Bücher von Stephen Hawking (Astrophysik) und Felicitas Goodman (Schamanismus).

Formverlauf und Besetzung

Prolog - 7 „Klangszenarien", die das Solocello durchwandert - Epilog (Krebs des Prologs). Die Teile gehen ohne Pause ineinander über bzw. sind durch kurze Kadenzen des Solocellos miteinander verbunden. Satzbezeichnungen: Andantino, Molto vivace, Andante, Allegretto, Allegro giocoso, Maestoso, Presto. Wiederkehr weniger musikalischer Motive, die das ganze Werk in immer neuen Permutationen durchziehen (Herzschlagrhythmus, Dreitonfolge, Quint-Quart-Klang). Großes Orchester: dreifaches Holz und Blech, 5 Schlagzeuger, 16-fach geteilte Streicher, Cembalo, Harfe, 2 Synthesizer, Technik.

Idee

Einheit von Mensch und Natur. Stimulation des Zuhörers zu Selbstvergessenheit im Sinne eines Eintauchens in eine imaginäre Welt. Versuch der Aufwertung des Melodischen innerhalb rhythmischer Schichtenpolyphonie. Spiel mit der Gleichzeitigkeit verschiedener Tempi und Taktarten. Ausnotierte Agogik. Harmonik baut auf vielstimmigen Akkorden auf, die horizontal umgelegt auch als Skalen und damit als Ausgangspunkt melodischer Gestalten fungieren.

Textprobe aus dem Vorwort

„Ich halte das krampfhafte Vermeiden von Melodien, das nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert von zahlreichen Komponisten praktiziert wird, für nicht mehr zeitgemäß und auch nicht mehr ergiebig. Nach kreativen und interessanten Kompositionen in den 60er, 70er und 80er Jahren hat sich diese Strömung zwar etabliert, aber totgelaufen. Sie hat im Namen der Freiheit (!) zu unzähligen Tabus geführt, die nicht nur Melodie, Dreiklang, Konsonanz, Tonalität, Symmetrie, Vorhersehbarkeit und Verständlichkeit sondern auch das Vermeiden jeglichen positiven Gefühlsausdrucks betreffen. Müssen wir Komponisten des 21. Jahrhunderts wirklich in die Welt der Geräusche flüchten, uns, wie es so schön heißt, „von melodischen und tonalen Zwängen emanzipieren", weil angeblich die Generationen vor uns schon alles gesagt haben, was es mit Tönen zu sagen gibt? Oder haben wir heute wieder die Chance, uns und unsere Zeit in Melodien und Harmonien zu dokumentieren innerhalb einer intelligenten, sensiblen, kommunikativen Musik, vielleicht sogar einer, die man nicht nur anerkennen, sondern auch lieben kann?".

Wiener Jeunesse Orchester

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